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Ein Glücksfall für die Telemann-Forschung

Handschrift Telemann Handschrift Telemann Kathrin Singer

Arbeitskreis „Georg Philipp Telemann“ erwirbt seltene Handschrift

Ein Glücksfall für die Telemann-Forschung

Die wissenschaftliche Bibliothek des Zentrums für Telemann-Pflege und -Forschung verfügt jetzt über eine Handschrift eines Werkes von Georg Philipp Telemann. Diese bislang kostbarste Einzelerwerbung wurde heute öffentlich vorgestellt. Da Manuskripte von Telemann-Werken im Antiquariatshandel äußerst selten zu finden sind, handelt es sich bei dem Erwerb um einen bemerkenswerten Glücksfall für die Magdeburger Sammlung. Das Manuskript steht ab sofort auch für die Forschung bereit.

Der Arbeitskreis „Georg Philipp Telemann“ Magdeburg e. V. konnte mit Hilfe von Förderern die etwa zwischen 1760 und 1780 entstandene Abschrift von Georg Philipp Telemanns Oratorium „Der aus der Löwengrube errettete Daniel“ für die Bibliothek des Zentrums für Telemann-Pflege und -Forschung Magdeburg erwerben.

Zeitweilig galt dieses Werk als eine Komposition von Georg Friedrich Händel.

Die vorliegende, 84-seitige Partiturabschrift eines professionellen Berliner Kopisten stammt aus der Zeit um 1780. Es ist die älteste Quelle für diese Festmusik, denn Telemanns Kompositionspartitur und früher entstandene Abschriften sind nicht überliefert.

Das Oratorium Georg Philipp Telemanns besitzt wie der gesamte Jahrgang, aus dem es stammt, für die Geschichte der protestantischen Kirchenmusik große Bedeutung.

Es sprach daher vieles dafür, die Handschrift als schützenswertes Kulturgut zu begreifen und für die Zukunft öffentlich zugänglich zu machen.

Das Manuskript wurde mit Mitteln der Kulturstiftung der Länder, des Landes Sachsen-Anhalt und der Stiftung Kloster Unser Lieben Frauen erworben und wird in der Bibliothek des Zentrums für Telemann-Pflege und -Forschung Magdeburg als Dauerleihgabe zur Verfügung stehen. „Seit fast dreißig Jahren steht die Förderung von Ankäufen herausragender Kulturgüter im Zentrum der Arbeit der Kulturstiftung der Länder. Mit dem Erwerb der ältesten bekannten Abschrift des Oratoriums ‚Der aus der Löwengrube errettete Daniel‘ steht dieses musikhistorisch bedeutende Werk Georg Philipp Telemanns nun der Wissenschaft und der interessierten Öffentlichkeit dauerhaft zur Verfügung. Damit ist auf ideale Weise der Stiftungszweck erfüllt“, sagte Dr. Stephanie Tasch, Dezernentin der Kulturstiftung der Länder.

Für den gerade im Druck befindlichen Band 58 der Telemann-Ausgabe, der unter anderem das Oratorium Der aus der Löwengrube errettete Daniel enthält, konnte bereits auf das neuerworbene Manuskript zurückgegriffen werden.

Weiterführende Informationen

Ralph-Jürgen Reipsch (Magdeburg)

Eine unbekannte Handschrift zu Georg Philipp Telemanns Oratorium Der aus der Löwengrube errettete Daniel TVWV 1:deest Originale Quellen zu Kompositionen Georg Philipp Telemanns sind auf dem Antiquitätenmarkt äußerst rar. In den letzten Jahren wurden lediglich einige von Telemann selbst in Druck herausgegebene Werke angeboten (24 Oden, Der getreue Musik-Meister, Nouveaux Quatuors). Handschriftliche Musikalien hingegen gelangen weitaus seltener in den Handel.

So ist es ein besonderer Glücksfall, wenn dem Zentrum für Telemann-Pflege und -Forschung Magdeburg vom Antiquariatshandel eine solche Handschrift angeboten wurde. Es handelt sich um die Abschrift eines Oratoriums aus dem Jahre 1731 mit dem Titel Der aus der Löwengrube errettete Daniel Dieses Oratorium zum Michaelisfest gehört zu einem kirchenmusikalischen Jahrgang, den Telemann 1730/31 in Hamburg aufführte. Der musikgeschichtlich einzigartige Zyklus wird als „Oratorischer Jahrgang“ oder – nach dem Textdichter Albrecht Jacob Zell (1701-1754) – „Zellischer Jahrgang“ bezeichnet.

Das Oratorium Der aus der Löwengrube errettete Daniel ist als Michaelisfestmusik eines der besonders prächtig besetzten Werke des Jahrgangs. Bereits im 18. Jahrhundert hatte man es mit Georg Friedrich Händels Oratorien in Verbindung gebracht und diesen gar als Autor angesehen. Auch die vorliegende Handschrift gibt an, dass das Oratorium „Von Herrn: Händl.“ sei. Möglicherweise war es die Kombination aus alttestamentlichem Stoff und der Tatsache, dass es sich um ein Oratorium handelt, Grund genug, die Musik dem in Deutschland gerade als Konzertoratorien-Komponisten beliebten Georg Friedrich Händel zuzuschreiben. So galt das Werk in der Forschung lange Zeit als eine der zweifelhaften Kompositionen Georg Friedrich Händels. Vor wenigen Jahren konnte es nun von Händel- und Telemannspezialisten eindeutig Telemann zugeordnet werden.

Die vorliegende, 84-seitige Partiturabschrift eines professionellen Berliner Kopisten stammt aus der Zeit um 1780. Es ist die älteste Quelle für diese Festmusik, denn Telemanns Kompositionspartitur und früher entstandene Abschriften sind nicht überliefert. Die relativ späte Kopie beweist, dass Telemanns Werk nach seinem Tod durchaus noch auf Interesse stieß.

Das Oratorium behandelt die bekannte, im Buch Daniel geschilderte Episode aus dem Leben des in persischen Diensten stehenden Israeliten Daniel, der aufgrund der Intrigen seiner Neider vom König in die Löwengrube geworfen wird. Durch göttlichen Beistand wird der glaubensfeste Daniel von den Löwen errettet, seine Gegenspieler aber erleiden ihre gerechte Strafe. Der Librettist lässt den Propheten Daniel, den persischen König Darius, einen „Chor der Perser“ usw. auftreten.

Allegorische Personen wie die „Andacht“, die „Freude“ und der „Mut“, aber auch Chöre der „Andächtigen“ oder der „Vertrauenden Seelen“ betrachten und werten die dramatisch vorgestellte biblische Handlung im Sinne einer frommen, dem Gottesdienst angemessenen Reflexionsebene.

Telemanns Musik entspricht der explizit bildhaften Sprache des Librettisten, so dass dieses Werk wie auch der gesamte Jahrgang schon bald als ein Muster musikalischer Malerei galt, für die Telemann bekannt war.

Der „Oratorische Jahrgang“ Georg Philipp Telemanns ist für die Entwicklung der ordentlichen Kirchenmusik in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wie auch für die Geschichte des Oratoriums als Gattung bedeutsam.

Zum einen zeigt sich Telemanns innovativer Versuch, die für das Oratorium der Zeit typischen dramatischen Elemente auch in die sonn- und festtägliche Musik der lutherischen Gottesdienste einzuführen: Telemann selbst ließ diese Werke, die wie im vorliegenden Falle auf biblische Stoffe zurückgreifen, in den Hamburger Gottesdiensten musizieren.

Dieser Typus des Oratoriums diente dem Gottsched-Schüler Johann Adolph Scheibe 1737 in seiner Zeitschrift Critischer Musikus als Grundlage für seine Definition des „poetischen Oratoriums“. Scheibe gehörte in den 1730er Jahren zu Telemanns Hamburger Umfeld und kannte die Werke aus eigener Erfahrung. Seine Definition hat das Bild des Oratoriums bis in die heutige Zeit beeinflusst. Bemerkenswert ist, dass diese Kompositionen Telemanns demnach einen bislang wenig beachteten lange nachwirkenden Einfluss gehabt haben.

Die besondere Art und Weise, wie Telemann die bildreichen Libretti Albrecht Jacob Zells vertonte, hat das Interesse zeitgenössischer Musiker geweckt. Dem Berliner Hofkomponisten Johann Friedrich Agricola und dem Cembalisten des Königs Carl Philipp Emanuel Bach waren diese Oratorien bekannt und wurden von ihnen offenbar diskutiert. Agricola ließ sich von Telemann eigens Partituren zum Kopieren senden, darunter auch das Michaelisstück. Von dieser Abschrift dürften auch die anderen überlieferten Quellen aus dem 18. Jahrhundert abhängig sein, die allesamt aus dem Berliner Raum stammen. Der Berliner bzw. Hamburger Bach erwähnte die Oratorien in Gesprächen mit Gotthold Ephraim Lessing. Dieser notierte in seinen Kollektaneen zur Literatur, dass Bach ihm über einen Jahrgang berichtet habe, „welcher hier [in Hamburg - d.A.] der Zellische heißt“ und „ganz ausnehmende Beweise“ von Telemanns Kunst in der musikalischen Malerei zeigen würde.

Telemanns Der aus der Löwengrube errettete Daniel war in den Musiksammlungen von Musikern und Gelehrten zu finden, so unter anderem bei dem erwähnten Johann Friedrich Agricola, bei dem Komponisten und Schriftsteller Johann Friedrich Reichardt, dem Thomaskantor Johann Gottfried Schicht und dem Händelforscher Friedrich Chrysander.

Das Oratorium Georg Philipp Telemanns besitzt wie der gesamte Jahrgang, aus dem es stammt, für die Geschichte der protestantischen Kirchenmusik große Bedeutung.

Es sprach daher vieles dafür, die Handschrift als schützenswertes Kulturgut zu begreifen und für die Zukunft öffentlich zugänglich zu machen. Das Manuskript wurde mit Mitteln der Kulturstiftung der Länder, des Landes Sachsen-Anhalt und der Stiftung Kloster Unser Lieben Frauen vom Arbeitskreis „Georg Philipp Telemann“ Magdeburg e.V. erworben und wird in der Bibliothek des Zentrums für Telemann- Pflege und -Forschung Magdeburg als Dauerleihgabe zur Verfügung stehen. Durch den so geförderten Erwerb und die Aufbewahrung in einer öffentlichen Einrichtung der Landeshauptstadt Magdeburg kann das Manuskript für die Nachwelt dauerhaft gesichert und für die wissenschaftliche Auswertung bereitgestellt werden.

Eine erste konkrete Folge für die Telemann-Forschung ist, dass für den derzeit im Druck befindlichen Band 58 der Telemann-Ausgabe, der neben dem Oratorium Der aus der Löwengrube errettete Daniel weitere vier Kompositionen des „Oratorischen Jahrgangs“ enthält, bereits auf das neuerworbene Manuskript zurückgegriffen werden konnte. Es kam gerade noch zur rechten Zeit und ist Basis für die Edition des Werkes.

 

Quelle: Zentrum für Telemann-Pflege und -Forschung 

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